Dienstag, 11. Juli 2006

Einigkeit und Recht auf Fußball

Du, wir (und er-sie-es sicher auch) bist/sind/ist Deutschland. Wenn nicht schon seit Ratzingers Bendetikts Golf vertickt, dann auf jeden Fall seit Klinsis Käfer mit Gold aufgewogen wurde.
Patriotismus ist kein Gefühl – Patriotismus ist, wenn der ebay-Server zusammenbricht.
Zumindest ist Patriotismus dann messbar. Nein. So einfach dann doch nicht. Nationalstolz ist sehr wohl vom Feeling her ein Gefühl. Auch wenn Du immer noch kein Baum sein möchtest, bist Du doch Deutschland. Dank Fußball. Dank Worten wie Gastgeber, Freunde und Fiiiiiinaaaaale.
Für eine Generation, in der der Name des Heimatlandes immer nur – wenn überhaupt – geflüstert wurde, ist es eine völlig neue Erfahrung Schland, Schland, Schlaaand zu singen, aufzustehen wenn man Adler ist und schwarz-rot-gold als die Trendfarbe des Sommers spazieren zu tragen.
Vier Wochen lang hatte Deutschland Urlaub vom Föderalismus, von der Gesundheitsreform, von Arbeitslosenzahlen und vor allen Dingen von der Erbschuld, die bisher jedem Neugeborenen noch im Kreißsaal auf die Schulter gelegt wurde.
Die Welt zu Gast bei Freunden – Deutschland endlich wieder einmal gut Freund mit sich selbst.
Gibt es nun tatsächlich ein neues Deutschland- ja Vaterlandsgefühl, ausgelöst durch die Weltmeisterschaft? Oder jubelt das Volk bloß dem Fußball zu, bei dem Fahnen, Schals und Schminke nun mal nicht fehlen dürfen? War zuerst das Huhn oder das Ei?
Egal: Deutschland macht Spaß. Nach einigen Minuten des Schreckens, erhoben sich am Dienstag Deutsche Fußballfans aus Sesseln und von Barhockern und klatschten dem italienischen Autokorso Beifall. Zwischen dem Applaus war ab und an aus den Mundwinkeln zu hören, dass der Pizza ab sofort abgeschworen wird. Na und? Kann in Zeiten der Volksüberfettung nur gesund sein. Bei aller Gastfreundschaft und allem Gut-Verlieren-Können darf der neu gewonnene Patriotismus nicht gleich wieder vergessen werden. Als Kompromiss wird den Italienern also einfach die schwarz-rot-goldene Flagge beim Vorbeifahren entgegen geschwenkt.
Abgesehen von der Einigkeit im Lande und der künftig gesunden Ernährungsweise hat die Weltmeisterschaft aber noch viel mehr bewegt:
Die nächste Pisa-Studie kann kommen – Deutschland ist schlauer geworden.
Die Bundesrepublik hat gelernt, dass:
…die richtige Strophe der Hymne mit „Einigkeit und Recht und Freiheit“ beginnt und es wenig später nicht „Brüh im Lichte dieses Glückes“ heißt.
…die USA keinesfalls eine Übermacht ist.
…54 mal 74 minus 1990 ganz einfach 2006 ergibt
…1990 plus 1974 minus 1954 ohne Frage 2010 ergibt und die Zahl sowieso viel schöner ist
…die Menschen aus Ecuador „Ecuadorianer“ heißen, Leute aus Togo „Togolesen“ genannt werden und es für die Einwohner von Trinidad und Taboga bislang noch kein deutsches Wort gab, man sie laut Auswärtigen Amt deshalb „Einwohner von Trinidad und Tabogo“ nennen sollte – es aber dank gewiefter Kommentatoren ganz viele tolle Namen wie Trinidenser und Tobagolesen oder Trinidisten und Tobagosen gibt.
…es einen Inselstaat namens Trinidad und Tobago überhaupt gibt.

Hach, bei soviel spielerisch erlernter Weisheit, bei soviel hinzugewonnenem Wir-Gefühl, bei soviel Klinsi-, Poldi-, Schweini-Gaudi muss der Kaiser es doch hinbekommen, dass wir auch in vier Jahren wieder die Welt einladen, um ein bisschen bei uns zu kicken. Auch als eigentlicher Nicht-Fußball-Enthusiast, bin ich viel eher Deutschland wenn das Runde, ins Eckige muss, Abseitsregeln unermüdlich erklärt werden und die Nation in Dauer-Bierlaune über die Straßen hüpft. Ich bin schwarz-rot-gold, Ich bin Fußballstar, von mir aus bin ich sogar Papst – Hauptsache ich muss nicht „der Baum“ sein….

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