Dienstag, 13. Dezember 2005

Stanley "Tookie" Williams

Er hat den Daumen gesenkt. Er hat ihn nicht in die Höhe gestreckt. Arnold Schwarzenegger hat im echten Leben getötet. Nicht zum ersten Mal. Noch nie hat der Gouverneur eine Begnadigung bewilligt. "Tookie" soll vier Morde begangen haben und wurde dafür heute morgen umgebracht. Wer richtet Arnie für seine mittlerweile dritte Tötung? Was rechtfertigt Schwarzeneggers Grausamkeit, wo es für Williams kein Pardon gab? Immerhin hat Williams bis zum Schluss seine Schuld bestritten. Schwarzenegger nahm das als Grund: "Tookie" habe keine Reue gezeigt. Wie kann man bereuen, wenn man nichts getan hat? So wie die hilflosen Frauen im Mittelalter, die unter der Folter zugaben, mit dem Teufel im Bunde zu stehen?
Ob Williams tatsächlich schuldig war, wussten nur er und seine Gang-Mitglieder. Wie sicher kann sich Arnold Schwarzenegger sein, dass er nicht gerade selbst einen Unschuldigen umgebracht hat? Aber selbst wenn in zehn Jahren der Name von Stanley "Tookie" Williams rein gewaschen werden sollte - Gouverneur Arnold Schwarzenegger muss für seinen Mord nicht jahrzehntelang vor der Giftspritze zittern. Er muss nicht auf die Gnade eines Mannes hoffen, der nie im Ghetto ums Überleben kämpfen musste. Welche Gerechtigkeit liegt im Tod von Williams? Die des biblischen "Aug um Aug - Zahn um Zahn"? Natürlich, wenn man die Rechtssprechung und die moralischen Normen der damaligen Zeit anlegt. Ist das Neue Testament noch nicht in der „Neuen Welt“, die sich so auf christliche Werte beruft, angekommen?
Einen Mann 23 Jahre auf den Tod warten zu lassen, Hinrichtungstermine zu verschieben, um dann in den letzten Stunden doch noch das Begnadigungsgesuch abzulehnen – wie grausam kann/darf ein angeblich moderner demokratischer Staat sein?

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TheSource - 13. Dez, 13:08

Sie möchten

die USA doch nicht einen modernen, demokratischen Staat nennen?

Ich habe für längere Zeit einem Menschen on Death Row regelmäßig geschrieben. Tookie wird für zwei Wochen Thema sein und dann wird vergessen, dass die USA nach wie vor hinrichten.

Schluppi - 13. Dez, 13:42

So traurig es ist, aber im Prinzip ist es so - bis zur nächsten Hinrichtung oder spätestens bis zum nächsten "Jubiläum"... Eben, wie mit so vielen anderen Dingen auch.
Turin - 13. Dez, 13:27

Bah, USA-Bashing auf niedrigem Niveau ...

Wer richtet Arnie für seine mittlerweile dritte Tötung? Was rechtfertigt Schwarzeneggers Grausamkeit, wo es für Williams kein Pardon gab?

Ein Grund rechtfertigt Arnies Handlung: Das Gesetz. Das gleiche Gesetz, das die Todesstrafe vorsieht, mit der Hintertür der Begnadigung durch den Gouverneur in letzter Minute.
Weder ist Arnie seit 23 Jahren im Amt, hat Tookie also nicht solange der seelischen Folter ausgesetzt, die es definitiv ist. Noch ist Arnie als Gouverneur, der einen Bundesstaat regieren muss, in der Lage, sich um jeden Kandidaten der seine Todesstrafe absitzt, zu kümmern.

Wie kann man bereuen, wenn man nichts getan hat? Er muss nicht auf die Gnade eines Mannes hoffen, der nie im Ghetto ums Überleben kämpfen musste.

Das sind moralische Totschlag-Argumente die hier völlig sinnlos sind. Was haben sie denn bitte jetzt zu sagen? Die hättest du bringen müssen als Tookie vor Gericht rechtskräftig verurteilt wurde - DANN hätte vielleicht sein sozialer Hintergrund eine größere Rolle spielen müssen oder der Aspekt der Reue stärker beachtet/missachtet werden müssen. Arnie hat Tookie nicht verurteilt, er hat lediglich das Urteil eines Gerichts anerkannt. Ein Urteil das DREIUNDZWANZIG Jahre alt ist. Ergo auch die Tat.


Was bitte kann Arnie dafür? ER hätte allen Grund sich zu beklagen. Er muss eine Entscheidung über das Leben eines Menschen treffen der von einem rechtmäßigen Gericht des Mordes für schuldig befunden wurde, lange bevor Arnie auch nur mit dem Gedanken spielte, "Hasta la vista, Baby" zu sagen. Und jetzt muss Arnie entscheiden ob sich das Gericht irrt, nur weil der Verurteilte im Angesicht des Todes alle Schuld von sich weist? Oder Arnie muss jemandem das Leben schenken, der anderen Ihres ohne Gnade genommen hat?

Er ist der einzige der sich beklagen darf - WIR dürfen nur den Kopf schütteln über ein Rechtsstaat-System (das Wort ist blanker Hohn in Bezug auf die USA) dass die Todesstrafe immer noch vollstreckt - ein Urteil über die Menschen, die sich an dieses System halten, steht uns solange nicht zu wie wir nicht als gewählter Vertreter dieses Staates selbst über das Leben eines Menschen entscheiden mussten.

Schluppi - 13. Dez, 13:41

Wieso steht mir kein Urteil "über die Menschen, die sich an dieses System halten" zu? Wieso muss ich zuvor selbst gerichtet haben? Ich verurteile das System der Todesstrafe im allgemeinen. Das Arnold Schwarzenegger es nicht erfunden hat und auch das Urteil nicht gefällt hat, ist mir klar. Aber er hatte in diesem Moment die Macht es zu ändern. Er sitzt in diesem Moment an letzter Stelle (nach Gericht, Verurteilungen und vielen anderen Gouverneuren) und war damit in der Position, etwas zu ändern. Wenn er nicht die Zeit hat, sich um jeden einzelnen Todeskandidaten zu kümmern, wie kann er dann ein Gnadengesuch ablehnen? Was hätte es geschadet, ihm statt zu geben? Das Arnie sich darüber beklagen darf, dass er in dieser Rolle des Entscheiders ist, ist ja wohl lächerlich: Im Amt des Gouverneurs ist es mit breitem Grinsen nun einmal nicht getan.
Wie gesagt, ich verurteile das System der Todesstrafe, aber damit auch die Menschen, die es direkt unterstützen.
Turin - 13. Dez, 14:15

Du wirfst Arnie vor, dass er nicht wie der Verurteilte "im Ghetto ums Überleben kämpfte" - was bitte hat das mit seiner Entscheidung zu tun? Du verlangst von Schwarzenegger, dass er die sozialen Hintergründe des Mannes mit einbezieht - im Endeffekt dass er sich den gesamten Fall nochmal genau ansieht und überprüft ob der Verurteilte wirklich schuldig ist oder nicht. Das klingt nach nem Grisham-Roman, aber nicht nach der Realität.

Dies zu prüfen war Sache der Anwälte und Verteidiger, sie hatten 23 Jahre Zeit Beweise zu finden, die Tookie's Schuld widerlegen - es wurde nichts gefunden. Das Verhalten des Mannes selbst ist in diesem Moment ja wohl kein Maßstab - ich kann mir kaum vorstellen dass jemand im Angesicht des Todes irgendwelche Schuldeingeständnisse macht.

Die ganze Sache wird durch das Aufbauschen in den Medien völlig aus ihrem realistischen Zusammenhang gerissen: Und der besteht darin, dass Tookie nur ein kleines Licht ist - ein Tagesordnungspunkt von vielen. Sicher der moralisch schwerwiegendste, aber trotzdem hat Arnie ne Menge mehr zu tun. Und du bist intelligent genug um zu wissen das es "mit breitem Grinsen" beileibe nichts zu tun hat, was die Aufgaben eines Gouverneurs anbelangt.

Schwarzenegger hatte die Macht das Urteil zu ändern, völlig richtig. Aber er hat deswegen noch lange keine Ahnung ob er einen Schuldigen begnadigt oder einen Unschuldigen hinrichtet. Also hat er sich an das gehalten, an das sich alle Menschen in demokratischen Staaten halten - an das Gesetz. Schwarzenegger kann NICHT die Todesstrafe abschaffen - das ist der Knackpunkt um dens mir geht. Du forderst indirekt dass er jeden zum Tode Verurteilten frei lässt weil die Todesstrafe falsch ist - wenn er das macht wird er abgewählt, das Volk wählt einen Gouverneur der in der Frage konservativer ist und der hebt die letzten Entscheidungen Schwarzeneggers wieder auf und schickt die Leute in den Tod.

Das würde absolut gar nichts bringen. Arnie hat im Gegenteil nicht einfach so zwischen Tür und Angel entschieden, er hat sich für die Entscheidung - so scheint es - Zeit genommen. Er hat darüber nachgedacht. Mehr kann er nicht tun - er kann weder alleine die Gesetze ändern noch sie ignorieren.
Er HÄLT sich an sie - das ist was ganz anderes als sie zu unterstützen.
Schluppi - 13. Dez, 15:15

Nun, warum nimmt er sich bis wenige Stunden vor der Hinrichtung Zeit? Weil er vorher zu viel zu tun hatte? Oder weil er nicht wusste, was er tun soll? Mir geht nicht in den Kopf, wie man beim leisesten Zweifel jemanden hinrichten kann. Er würde kein Gesetz übertreten, wenn er ihn begnadigt hätte. Ich habe keine Freiheit verlangt.
Der Gouverneur hält sich an die Gesetze? WIe schön - schließlich macht er sie ja auch. Natürlich nicht alleine, aber im amerikanischen System haben die Führungspersonen sehr viel Macht.
Du hast natürlich recht, die Menschen haben ihn als konservativen Gouverneur gewählt. Und wer will schon Wahlen verlieren. Schon George Bush wusste, dass ein paar tote Todeskandidaten sich im Wahlkampf gut machen. Aber dennoch, dass Volk wird ihn nicht abwählen, weil er bei Verurteilten die Todesstrafe in Lebenslänglich umwandelt. Dafür macht er in vielen anderen Bereichen genug Mist. Nur weil Arnie konservativ ist und somit die Todesstrafe in irgendeiner verqueren Weise mit zu seiner Gesinnung gehört, muss ich es doch nicht gut finden. Schwarzenegger ist nicht grundsätzlich für die Todesstrafe verantwortlich, auch nicht für die von "Tookie", aber nochmal: Wenn jemand die Macht hat etwas zu ändern und es nicht tut, kann ich das verurteilen. Und um noch auf eines zu kommen: dreh mir nciht die Worte um - das mit dem "Grinsen" war nicht darauf bezogen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Gouverneur viele Aufgaben hat, sondern darauf, dass er sich nun schlecht beklagen kann, weil darunter auch weniger angenehme sind.
Turin - 13. Dez, 15:34

Mir geht nicht in den Kopf, wie man beim leisesten Zweifel jemanden hinrichten kann.

Ja gab es denn diesen Zweifel? Es hat in 23 Jahren keiner geschafft diesen Zweifel hervorzurufen und damit eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu ermöglichen - der Gouverneur entscheidet doch da nicht nach Tageslaune.

Du hast natürlich recht, die Menschen haben ihn als konservativen Gouverneur gewählt.

Ergo die Menschen dort wollen die Todesstrafe, wollen jemanden, der die Leute hinrichtet statt sie für 40+ Jahre einzusperren. Ergo - wenn Schwarzenegger alle Todeskandidaten lebenslänglich einsperrt wird er per Volksentscheid (oder wie auch immer das genau in den USA abläuft) abgewählt und die Leute in seinem Bundesstaat wählen sich den Kandidaten, der die Typen wieder ohne Gnade hinrichtet.
Damit ist Schwarzeneggers "Macht" = Null.

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