Dienstag, 15. Mai 2007

Grandclément: Höllenfahrt der Hoffnungslosen

Die Bilder sind dramatisch und brutal. Trotzdem sind sie nicht Aufmacher auf einer Bild-Ausgabe. Sie kommen überhaupt nirgendwo vor, außer in den Sendungen "Weltspiegel" und "Kulturzeit". Das der Journalist Daniel Grandclément eine Flüchtlings-Überfahrt von Somalia in den Jemen begleitet hat und unfassbare Bilder mitbrachte, ist außer als Randnotiz nicht präsent. Die üblichen Magazin-Sendungen berichten über eine um Gnade winselnde Paris Hilton und beschweren sich über die Ungerechtigkeit der Grand-Prix-Welt. Etablierte Nachrichten berichten über die Kinderbetreuungsdiskussion der Koalition und freuen sich, dass unser BIP um 0,5 Prozent wächst. Dagegen ist nichts zu sagen, wenn das Verhältnis stimmen würde. Die Reportage von Grandclément hat alles, was Nachrichtenwert-Richtlinien von einer "guten Story" verlangen - außer vielleicht den Schauplatz, die Nähe zu "uns". Angesichts dieser Bilder, angesichts der Hintergünde, müsste diese Geschichte da nicht zumindest ähnlich mediale Ausmaße annehmen, wie Knut oder die Vogelgrippe? Wenn die Medien - was kaum noch zu leugnen ist - einen solchen Einfluss auf die Stimmung, die Gedanken der Menschen haben, warum wird er dann nicht genutzt? Kaum sprechen die Medien von sinkenden Arbeitslosenzahlen, fühlt sich die Nation beschwingt und aufgeschwungen. Kaum wird in den Medien BSE erwähnt, will jeder wissen, woher sein Steak kommt und was sich alles in seinem Lippenstuft befindet, um ein halbes Jahr später doch wieder wahllos die bemalten Zähne in jedes Rind zu schlagen. Wenn Menschen den Tod in Kauf nehmen, weil das was sie hinter sich lassen wollen nur schlimmer sein kann, wird am Stammtisch weiter über das Abschneiden von Roger Cicero in Helsinki gesprochen. Wenn/Falls tausende Menschen nach zwei Tagen (und einem Leben) Tortur im Jemen stranden, um vielleicht gleich wieder in ihren Alptraum zurück geschickt zu werden, spricht Deutschland über ein entführtes Mädchen für das Millionen Beträge gesammelt wurden. Auch der "User generated Content", die Blogs, bieten keine Alternative. Auch ihre Interessen liegen wo anders: Wer bei technorati.com nach "Grandclément" sucht, erhält 31 Treffer - "Paris Hilton" wird über 200.000 Mal gefunden. Wie schief müssen die Gleise noch liegen, bevor die Welt aus der Bahn gerät?

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