Dienstag, 10. Januar 2006

Statement

Ich habe mich lange geweigert, über Frau Osthoff zu bloggen. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen kann ich mir kaum anmaßen, über eine Frau zu urteilen, die ein so völlig anderes Leben führt als ich und zudem noch Dinge erlebt hat, die wohl keiner nachvollziehen oder einschätzen kann, der nicht selbst in der Situation war. Zum anderen, weil ich mir nie wirklich sicher war und bin, was ich tatsächlich von ihr halten soll. Egal wie aufgeschlossen oder tolerant man ist: Für gewöhnlich sortiert jeder seine Mitmenschen in eine jeweilige Schublade - egal, ob man denjenigen seit Jahren kennt oder nur ein Zitat von ihm gelesen hat. Susanne Osthoff will aber partout nirgendwo wirklich hineinpassen.
Ich habe alle drei ihrer TV-Auftritte gesehen. Sie war jeweils in einer anderen Verfassung. Bei manchen Punkten bin ich mir immer noch nicht sicher, welche Meinung sie eigentlich hat.
Weshalb ich jetzt doch etwas über sie bloggen möchte:
Weil diese öffentliche Hetzkampagne wirklich zu weit geht und ich sie zumindest in dieser Hinsicht verstehen kann.
Erst ist sie das Opfer - Lichterketten werden geknüpft, Altbundeskanzler springen vor die Kameras und appellieren an die Entführer, der Bürgermeister von Glonn bestellt schon die Blaskapelle für ihre Rückkehr.
Und dann ist sie frei. Ab diesem Zeitpunkt ist Susanne Osthoff ungeliebter als es die Täter je waren. Weil sie nicht zurückkommen möchte. Möchte sie ja - nur in ihre Heimat und die ist nun einmal nicht in Deutschland. Wer von uns würde denn nach einer Entführung in unserem geliebten Heimatland woanders hin auswandern. Die gekränkte Eitelkeit der Deutschen, denen rührende Szenen auf dem Flughafen vorenthalten werden, ist wirklich übelkeiterregend.
Unten durch ist Frau Osthoff auch, weil sie ihre Tochter im Internat wohnen lässt und so und so lange nicht gesehen hat. Es gibt in unseren Nachbarwohnungen sicherlich viele Mütter, die sich um einiges schlechter um ihre Kinder kümmern - und die sind den ganzen Tag da. Wie Susanne Osthoff ihr Familienleben gestaltet ist nun wirklich ihre Sache.
Direkt nach der Freilassung war alle Welt (vor allem die germanische) furchtbar entrüstet, weil sie nicht direkt nach der Freilassung ihre Dankesrede durch den Äther gejagt hat. Wo ist das Verständnis und das Mitgefühl von den Lichterketten hin?
Die Frau mag ja sein wie sie will, aber nach drei Wochen Geiselhaft nun noch durch die Spießruten der Deutschen gejagt zu werden, ist weder fair noch human - sondern einfach nur sensationsgeil.

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